Bogen von 95 Fuss Spannweite bei 75 Fuss Höhe den Fluss übersetzt, ist jedenfalls ein ungemein kühnes Bauwerk, das am meisten imponirt, wenn man es vom Flussbette aus betrachtet. Die Brücke wird von Thorthürmen flankirt, die sammt ihr im Volksmunde »Grad« (das Schloss) genannt werden. Die Thorthiirme sind halbkreisförmig, mit ungemein dicken Mauern, und dienten früher theils als Pulvermagazine, theils als schwere Kerker. Heute haben sie natürlich jede Bedeutung verloren. Ueber die Entstehung der Brücke bestehen verschiedene Versionen, von denen diejenige, welche den Bau den Römern zuschrieb, als beseitigt gelten kann. Die Mohammedaner behaupten, die Brücke wäre erst längere Zeit nach der Eroberung der stolzen Hercegovina durch Sultan Bajazid II. unter dem grossen Sultan Sulejman II. im Jahre 974 der Hedschra (d. i. im Jahre 1566) gebaut worden. Als Beweis hierfür wird eine arabische Inschrift in der Mitte des Bogens angeführt, welche lautet: »Kudret kemeri« (Bogen der Allmacht Gottes). Nach arabischem Brauche soll diese Inschrift durch Zusammenzählung der Zahlenwerthe der einzelnen Buchstaben das Jahr der Erbauung ergeben. In diesem Falle erhält man 974 (1566) als das gesuchte Jahr. Da die Inschrift nur von den ziemlich weit entfernten Ufern zu sehen ist, überdies die Inschriftzeichen alt und verwittert sind, ist es sehr schwer, sie heute noch zu entziffern. Authentischen Bericht giebt der türkische Geograph Hadschi Chalfa (in »Rumeli und Bosna«): »In Mostar ist eine sehr merkwürdige, aus einem Bogen gewölbte Brücke, im Jahre 974 erbaut. Da die meisten Gärten jenseits des Flusses liegen — im Thale der Radobolja —, so passirte man denselben ehemals auf einer grossen in Ketten hängenden hölzernen Brücke, die aber, da sie keine Pfeiler hatte, so schwankte, dass man nur mit Todesfurcht hinüberging. Nach der Eroberung baten die Einwohner den Sultan Sulejman, ihnen eine steinerne Brücke bauen zu lassen. Dieser schickte den Baumeister Sinan — den grössten türkischen Architekten aller Zeiten —, der nach genommenem Augenschein es für unmöglich erklärte, hier eine Brücke zu wölben. Man stand also davon ab. Späterhin verbürgte sich ein geschickter Tischlermeister des Ortes für die Ausführbarkeit des Vorschlages, und die Brücke kam zu Stande. Sie hat einen einzigen Bogen, dessen Durchmesser 150 Ellen misst, ein Kunstwerk, das alle Baumeister der Welt schachmatt machte. Die Mauer, worauf der Bogen ruht, hat in der Breite beiläufig 8 Ellen.« Bei den Orthodoxen knüpft sich an den Bau der Brücke wiedt . die Sage vom Bauopfer. Der von den Türken gefangene Baumeister Rade erkaufte sich die Freiheit durch dieses Werk, das ihm trotz aller Anstrengungen nicht gelingen will, bis er auf den Rath der Vila vom Berge Veles ein Liebespaar in den Grundfesten der Brücke vermauert. Der türkische Dichter Derwisch Pascha (1004 d. Hedschra Vezier von Bosnien), ein Mostarer Kind, besingt in einem Gedichte, welches die Beschreibung Mostars zum Gegenstände hat, die Stadt und Brücke in begeisterten Worten, die in der Uebersetzung ungefähr lauten: »Die beispiellose Schönheit Mostars lässt sich mit der Feder nicht beschreiben! O Herz wundere dich nicht, wenn Mostar dich bezaubert hat. Ich finde nirgends auf der ganzen Welt — 20* — 3°7 —