Jahrzehnten steht Bosnien bekannt und geachtet vor der Welt. Was in diesem Lande geleistet wurde, ist fast beispiellos in der Kolonialgeschichte aller Völker und Zeiten und die nachfolgenden Schilderungen, wenn sie auch mehr für den Touristen geschrieben sind, der die landschaftlichen Reize der »goldenen Bosna« kennen lernen will, sollen doch auch ein Bild geben von dem Bosnien einst und jetzt. Es fehlt heute nicht mehr an umfangreichen wissenschaftlichen und an Reisewerken über dieses prächtige Gebiet der Balkanhalbinsel. Das vorliegende Werk erhebt daher auch keinen Anspruch auf besondere Gelehrsamkeit, es soll in ihm nur in zwanglosem Geplauder erzählt werden, was ich bei oftmaligen Reisen in dem Lande, das ich wie eine zweite Heimath liebe, gesehen und erlebt; es soll Interesse und Verständniss in weiteren Kreisen erwecken, die beim Antritt einer Reise nicht ganze Bibliotheken durchstudiren wollen und können. Eines hat mir die Feder geführt: Unauslöschliche Liebe zu Bosniens Bergen und Thälern, zu seinen grünen Matten und romantischen Städten, zu seinem kräftigen Volke und dessen Eigenart. Sodann aber auch unbegrenzte Hochachtung vor den Männern, die als Kulturträger in amtlicher Stellung jene Fortschritte zeitigten, die heute diese Provinzen so hoch über die meisten anderen Länder des europäischen Südostens erheben. Wenn ich heute hinausblicke in den grauen Nebel des nordischen Winters, denke ich mit Sehnsucht an Bosniens Urwälder, an das Paradies jedes Naturfreundes. Und der Bosna, der Drina, der Narenta und des Vrbas Wellen rauschen mir ein verlockendes Lied von Gottes freier Natur in der Schweiz des Balkans. Möge mein Sehnen recht bald von Vielen getheilt werden, mögen bald Tausende sich jenes eigenthümlichen orientalischen Lebens erfreuen, das, von unsagbarem Reiz, früher nur wenigen bevorzugten, mit Glücksgütern gesegneten Sterblichen zu schauen ermöglicht war. Heute führen drei Bahnlinien mitten in diese fremde Welt, die sich jedem ins Herz schmeichelt, der noch Gefühl für Schönheit, für unverdorbene Natur, dabei aber auch Sinn für moderne Thatkraft besitzt. Ich mache jetzt den Führer im Lande. Wer Lust hat und nicht immer ausgetretene Pfade wandeln will, der folge mir! Berlin, im Winter 1895/96. Heinrich Renner.