Die Erlaubniss zum Besuche der Katakomben, die man lange für die unterirdischen Grüfte der bosnischen Könige hielt, erhält man bei der Bezirksbehörde. Ein Wächter leitet den Fremden. Sobald man einige Stufen abwärts gestiegen, tritt man durch eine kleine eiserne Thür in den engen Vorraum des unterirdischen Gotteshauses (denn ein solches ist es), von welchem eine weitere Thür in die Innenräume führt. Schwarz sind die Wände, dadurch allerdings den düsteren Eindruck einer Todtenherberge hervorrufend. Der ganze Bau ist mit vieler Mühe in die Felsen gehauen. Die einheimische Bevölkerung nennt ihn keineswegs »Katakomben«, mit denen er auch nur die unterirdische Lage und das Material gemeinsam hat, sondern mit dem türkischen Worte »halvat« = Einsiedeleien, Klausuren. Die bekannten Katakomben von Rom, Neapel etc. sind Netze von engen, verschlungenen, vielfach verzweigten, viele Kilometer weit fortlaufenden Gängen, die sich nur stellenweise zu kleineren Hallen erweitern, während wir in den Katakomben von Jajce eine nach einem einheitlichen architektonischen Plane ausgeführte Baulichkeit, ein christliches Gotteshaus mit allem Zubehör erkennen. Einigermaassen erinnert es an die alten indischen Tempel, die ebenfalls in Felsen ausgehöhlt wurden. Eigenthümlich ist nur die Erscheinung, dass dieses Baues, zu dessen Herstellung ein gut Stück Arbeit aufgewendet worden sein mag, in gar keiner älteren geschichtlichen Aufzeichnung Erwähnung gethan wird und dass die Ueberlieferung über die Entstehung dieses Denkmales im Laufe der Zeiten vollständig verloren ging. Wenn wir die »Katakomben« auch noch so eingehend besichtigen, so bietet sich uns doch kein Fingerzeig, welcher es ermöglichen würde, die Entstehung derselben mit einiger Sicherheit der einen oder der anderen Kulturepoche zuzuschreiben und die Zeit ihrer Gründung auch nur annähernd festzustellen. Am empfindlichsten macht sich in dieser Hinsicht der gänzliche Mangel an ornamentaler Ausschmückung und architektonischen Details, wie Säulen, Kapitälen u. s. w. fühlbar. Wir sind daher gezwungen, unsere ganze Aufmerksamkeit dem Anlageplan zuzuwenden, der aber gleichfalls zahlreiche Widersprüche aufweist. Die unterirdische Anlage in dem Felsen würde auf die erste Zeit des Christenthums als Entstehungszeit hinweisen, als dieses noch gezwungen war, im Schoosse der Erde vor Verfolgungen Schutz zu suchen, während die Einzelanlage des Baues, seine Eintheilung und Gliederung, die Art der Ausführung und insbesondere die unter dem Hauptbaue angebrachte Krypta, auf das Zeitalter des romanischen Stiles, also auf eine frühere Periode des Mittelalters deuten und endlich in den Gewölben auch rein gothische Formen gefunden werden, welche erwiesenermaassen erst gegen den Ausgang des Mittelalters zur allgemeinen Anwendung gelangt sind. Diese gothischen Motive — die in eine Spitze auslaufenden Wölbungen — sind übrigens im vorliegenden Falle für die Altersbestimmung — 440 —