Bosnien, wo sich türkische und altslavische Sitten mit einander mischen, wo man im Mohammedanismus noch unsere mittelalterlichen Gebräuche findet, ist ein Studium entschieden am lehrreichsten. Es wird sehr erschwert durch die Abgeschlossenheit und Verschlossenheit der betreffenden Kreise und es bedarf weiblicher Mithilfe, um hinter die eigentümlichen Sitten und Gebräuche, besonders in Frauenkreisen zu kommen. Eine der schönsten Sitten, sicherlich ein Ueberrest aus christlicher Zeit, ist aber das »Aschyklik«, der Damendienst oder die »süsse Minne«. Es ist das in österreichischen oder bayerischen Ländern gebräuchliche »Fensterin«, und wenn es auch weniger am Fenster, meist an Gartenzäunen stattfindet, so erfüllt es doch den gleichen Zweck. Zur Landessitte — zum Adet — gehört, dass türkische Frauen und Mädchen am Freitag oder auch am Montag immer in grösserer Anzahl und ohne männliche Begleitung die vorhin geschilderten Teferic-Ausflüge unternehmen. Mit Akschäm (Sonnenuntergang) ist die Rückkehr geboten, und jetzt entwickelt sich in den Hausgärten, an den Hinterthüren der Häuser oder von den vergitterten Muscharabiehs aus (»Muschebak« sagt der Bosnier) ein geheimnissvolles Treiben. Am Tage der »süssen Minne« ist es dem jungen Manne gestattet, sich der Dame seiner Bekanntschaft, die er vielleicht als unverschleierten Backfisch flüchtig geschaut, in allen Ehren zu nahen und ihr in Form rechtens den Hof zu machen. Das geschieht so züchtig, so zart, dass man die Mohammedaner wegen ihres Anstandes bewundern muss. Ueber ein ganz leises Flüstern kommt das Aschyklik nie hinaus, ein Kuss ist fast unmögli und nur wenn die Leidenschaft die Grenzen überschreitet, wenn sich einer Verehelichung Hin- A dernisse in den Weg stellen,- h dann wird eine Entführung / verabredet, die der Landessitte entspricht, aber nicht mehr recht gebräuchlich ist. Und es ertönen hin und her süsse Liebeslieder, die den schönsten Klängen des Abendlandes nichts nachgeben. Da ist das bosnische Volk, wenn auch religiös, doch nicht national geschieden, und die Frauen- und Liebeslieder gelten für Mohammedaner wie Christen.