193 Eifer auf die Schifffahrt. Handel mul Schifffahrt aber sind zwei verschiedene Dinge; da letztere, wie unter dem Artikel „Schifffahrt“ umständlicher erörtert ward, blus des Frachtlohnes wegen betrieben wird. Die Ragusaner hatten von jeher einen aogebornen Hang zur Schifffahrt. Die Kriege, welche seit der französischen Revolution geführt wurden, kamen der Schifffahrt der Ragusaner sehr zu Statten, denn da die ra-gusanische Flagge als eine neutrale von Freund und Feind respektirt ward, so machten die Kapitäne gute Geschäfte. Regierung und Volk befanden sich, wohl dabei; jeder, der Geld hatte, baute Schiffe oder kaufte sich einen Sehiffswechsel (Schiffpart, Caratto). Ein Schiff war gewöhnlich in 24 Caratti von 200 bis 400 Colonnuti (spanische Thaler) getheilt, je nach der Grösse des Schiffes. Jeder junge Bursche, der gesunde Arme und Beine hatte, verdingte sich lieber auf ein Schiff, als dass er daheim geblieben wäre, um beiin Pfriemen oder Webstuhl zu sitzen, oder im Schweisse seines Angesichtes sein steiniges Feld zu bearbeiten; „quaerenda pecunia priinum ent,“ dachte jeder bei sich selbst. Dass man unter solchen Verhältnissen die Industrie und den Ackerbau vernachlässigte, ist erklärbar. Man erzählte mir, dass auf der Halbinsel Sabbioneellu die Feldarbeiten von Weihern und Greisen verrichtet wurden, weil die ganze rüstige männliche Jugend im Seedienste war. Weil nun alle Kapitalien, alles Geld nur in Schiffen steckte, und sich in der Schifffahrt bewegte, so ist begreiflich, dass mit dein Verluste derselben eine völlige Verarmung folgen musste. Vor der französischen Invasion zählte Hagusa, wenn die öffentlichen Angaben wahr sind, 360 hochbordige Schiffe, welche mit beiläufig 4000 Matrosen bemannt waren. Rechnet mau ein solches vollkommen ausgerüstetes Schiff zu 10,(NN) fl., so gibt das ein Kapital von 3,600,000 fl. Nach dem Abzüge der Franzosen im Jahre 1814 waren davon nur 60 Schiffe übrig. Alle anderen wurden theils von den Russen, theils von den Engländern auf offener See oder in den Häfen, in welchen sie sich zufällig befanden, genommen, oder sie verfaulten im Hafen. Eine solchc Kalamität hatte Ragusa bisher noch nicht getroffen. Das grosse Erdbeben von 1667 hat zwar den Wohlstand der Einwohner tief erschüttert, und so herabgebracht, dass mau 50 Jahre nachher nur 50 Küstenschiffe zählte, da alle ändern verkauft werden mussten: allein eine so allgemeine Verarmung hatte es dennoch nicht zur Folge, wie jene durch die französische Okkupation. Viele Familien sind durch den Verlust ih~ rer Schiffe von dem höchsten Gipfel des Wohlstandes in das tiefste Elend gestürzt worden. Ich fand noch viele Greise, welche einst wohlhabende Familienväter waren, und von Kummer und Sorge gebeugt dem Grabe zuwankten. Jetzt geht es wieder besser, besonders waren P fiter, Daliualten. II. 13