807 In Ragusa gibt es einen zahlreichen Adel, welcher sein einstiges Ansehen nicht vergessen kann. Pa ton vergleicht die Ragusaner Nobili mit den Hidalgos des Gil Blas. Ich für meine Person kann nur Gutes von den Edelleuten von Ragusa sagen. Ich lernte sehr brave, wissenschaftlich gebildete Männer unter ihnen kennen. In Ragusa gibt es viele Seeleute (Maritimi). Ich erlebte dort mehrere Beispiele, dass z. B. ein Seefahrer heute Hochzeit gehalten und wenige Tage hernach ohne seine Ehehälfte mit seinem Schiffe in die weite Welt hinausgesegelt ist, um erst in einem Jahre oder nach noch längerer Zeit nach Hause zu kehren. Mehr als Einer fand sein Grab in den Wellen, oder erlag der orientalischen Pest. Auch unter den Matrosen gibt es viele Verehelichte, deren Familien gewöhnlich zu Hause im grössten Elende schmachten, weil die Männer nicht in der Lage sind, denselben Geld zu schicken. — Wer gesellige Freuden sucht, findet auch in Ragusa seine Rechnung nicht. Da es dort weder Wagen noch Reitpferde gibt, so bediente man sich statt derselben der Sänften. Jetzt aber werden sie nur mehr bei Hochzeitfeierlichkeiten von den Adeligen gebraucht. Es gibt noch allerlei Sitten und Gebräuche uralten Ursprunges in Ragusa. Keine, auch nicht die gemeinste Biirgersfrau geht dort über die Gasse, wenn nicht eine Magd hintendrein geht. Wenn ein Mitglied aus einer adeligen Familie stirbt, so werden die Mägde schwarz gekleidet und ihnen am Kopfe ein grosses weisses Tuch befestigt, das über den ganzen Rücken hinabwallt. Dieses Trauerkleid wird ein Jahr lang getragen, dann wird den Mägden eine grosse weisse Binde auf die Schultern genadelt und auf solche Weise getragen, wie die Soldaten ihre Mäntel umzuhängen pflegen. Dieses Trauerkostüm dauert abermals ein Jahr. Die Mägde der adeligen Familien sind arme Landmädchen, welche mehrere Jahre ohne Lohn dienen müssen. Dann erhalten sie die sogenannte Sprava, das ist eine Art Aussteuer in Geld und Kleidung. Der Geldbetrag fällt zwischen 100 und 200 fl. Alle adeligen Familien steuern dazu bei. Von dieser Zeit an erhalten sie einen Dienstlohn, welcher aber sehr klein ist. Männliche Dienerschaft wird nicht gehalten. Die Eheverlöbnisse gehen der Hochzeit oft ein bis zwei Jahre voraus. Vor der Verlobung darf nach der more patria der Liebhaber das älterliche Haus seiner Geliebten nicht betreten, auch nicht an ihrer Seite auf öffentlichen Spaziergängen erscheinen. — Zerlumpten Pöbel, halbnackte, ekelhafte Bettler und Kinder, wie man sie in aridem Orten des Landes sieht, gewahrt man in Ragusa nicht. Jedes Landmädchen kleidet sich reinlich, ehe es die Stadt betritt, ja manche erst vor den Thoren derselben. Die Lastträger von Ragusa bestanden zu meiner Zeit grösstentheils noch ans Soldaten der einstigen republikanischen Armee, welche Summ a