20 HISTORISCHE EINLEITUNG. Nachtheile der auswärtigen Politik Oesterreichs 3). Die venetia-nische Regierung ging offenbar von zwar sehr egoistischen, aber wohl überlegten handelspolitischen Ideen aus. Sie legte den Schwerpunkt der Regierung nach Zara, um die Hauptstadt Dalmatiens, die sie überdies wohl befestigte, so nahe als möglich an Venedig zu rücken. In Dalmatien selbst concentrirte sie wieder ihre Thätigkeit auf die Küstenpunkte, wo seit Jahrhunderten theilweise eine romanische Bevölkerung lebte. Sie wusste diese Bevölkerung in eine italienisch-venetia-nische umzuwandeln, und gab dann dieser italienisch-dalmatinischen Aristokratie so viel sie konnte die Leitung des Landes in die Hände. Die immense Mehrheit der slavischen Landbevölkerung wurde unter das Joch des italienischen Colonen-systems gezwängt, der Landmann so viel als möglich in dem Zustande politischer Unmündigkeit gehalten, das ganze Land im Interesse der herrschenden italienischen Städtebevölkerung ausgebeutet. Im Innern des Landes gab es weder Schulen noch Strassen, die Agricultur blieb in halb barbarischem Zustande, in der dalmatinischen Race wurde das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit getrübt, oder vielmehr vollständig verdunkelt. Die Küstenbevölkerung hingegen wandte sich mit Herz und Seele der glänzenden Erscheinung des prachtvollen Venedig zu und verehrte in diesem in wahrem Sinne des Wortes die Königin des adriatischen Meeres. Hatte wohl die österreichische Regierung irgend einen aus der Natur der Sache hervorgehenden Grund, sich diese Maximen der venetianischen Regierung anzueignen? Hat sie irgend einen triftigen Grund, diesen Maximen in der Zukunft 3) Die handelspolitischen Ideen Karl’s VI. und der Kaiserin Maria Theresia sind von W. Roscher in seiner musterhaften „Geschichte der Nationalökonomik”, dargestellt worden, welche über die österreichischen nationalökonomischen Bestrebungen mit historischem Gerechtigkeitssinne ur-theilt. Die meisten modernen ungarischen Schriftsteller und Diplomaten sind zu sehr von magyarischen Grossmachtsbestrebungen erfüllt, um von ihnen Objectivität und historische Gerechtigkeit zu erwarten. Reiches, gelehrtes und verlässliches Material über Venedig bringt der gelehrte Stuttgarter Bibliothekar D. W. Heyd in seiner „Geschichte des Levantehandels im Mittelalter”, die wir später noch öfter benützen werden.