HISTORISCHE EINLEITUNG. 9 verknüpft ist. Die historische Aufhellung des inneren Lebens einer der grossen europäischen Völkerstämme läge dieser Erforschung zu Grunde. Die gegenseitigen Beziehungen des Slaventhums beginnen sich zu klären, die Annäherung unter den Stämmen wachse fortwährend und im Gegensätze zu den Theorien der Slavophilen und des kriegerischen Panslavismus erwachte die Idee eines anderen Panslavismus, der auf gegenseitige Achtung der nationalen Individualität, auf einer natürlichen Entwicklung der Beziehungen, auf eine Gemeinsamkeit der sittlichen und Bildungsbedürfnisse gegründet ist; und es wächst jetzt auch innerhalb der Stämme die Sorge um die Aufklärung des Volkes und das politische Bewusstsein. Das ist die Sprache eines gebildeten, human denkenden russischen Gelehrten, der sich der Hoffnung hingibt, es werde, je freier und weiter sich dieses innere Leben entwickelt, umsomehr der „Panslavismus” nicht eine politische Phantasie, sondern eine Gemeinsamkeit der Bildung werden. Die Geschichte der slavi-schen Literaturen sei geschrieben mit dieser Idee der nationalen Gleichberechtigung, sowohl rücksichtlich anderer Völker als rücksichtlich der Slaven untereinander. Die tiefere Quelle der ganzen slavischen Renaissance sei die europäische Bildung. Dass das Buch selbst zur Klärung der inneren Verhältnisse unter den Slaven und auch zur Versöhnung der äusseren nationalen Feindseligkeit in den höheren Idealen der Bildung und der politischen und socialen Gerechtigkeit beitragen möge, ist ein Wunsch, den Alexander Pypin am Schlüsse des Vorwortes ausspricht, und den jeder Deutsche und jeder Deutschösterreicher theilen wird. Gegenwärtig aber ist noch wenig Hoffnung vorhanden, dass dieser Wunsch erfüllt werde; ist es doch auch die russische Politik, welche nicht auf der Bahn dieser friedlichen slavischen Renaissance geht, sondern in jener Richtung, welche Pypin-Spasovic bezeichnend den kriegerischen Panslavismus nennt, der alles als historisches Unrecht bezeichnet, was nicht seine kriegerischen Ideen fördert. Auch bei den in Oesterreich lebenden slavischen Parteiführern ist von der historischen Gerechtigkeit im Sinne der russischen Gelehrten wenig zu bemerken. Vorläufig sehen wir, dass die