HISTORISCHE EINLEITUNG. 3i rung ausüben, und dass eben in Folge dessen die griechische Kirche daselbst eine Bedeutung gewonnen hat, welche die katholische in diesem Augenblicke nicht besitzt. Während alle Völker des Orients zweifelsohne mit Enthusiasmus der Fahne der griechisch-russischen Kirche folgen würden, wenn sich diese heute oder morgen entfalten sollte, so protestiren alle Völker des Occidents gegen das politische Programm, welches heutzutage Rom zu dem seinigen gemacht hat. Dieser Erkenntniss kann sich die katholische und akatho-lische Geistlichkeit nicht entziehen und es ist daher begreiflich, dass die eine bei den Niederlagen in der öffentlichen Meinung ebenso gedrückt ist, als die andere gehoben durch die Siege derselben. In dieser Beziehung natürlich existirt sicher auch eine Propaganda9) der griechischen Kirche in Dalmatien, und sicher kann diese auch unter gewissen Umständen eine Gefahr für die katholische werden. Wenn etwas geeignet wäre, diese Gefahren zu brechen oder ihnen die politische Bedeutung zu benehmen, so wäre es vorzugsweise die Einsicht der katholischen Geistlichkeit in die Missgriffe, die sie gemacht, und in die Unterlassungssünden, die sie sich zu Schulden kommen lassen hat. Die Regierung wird gewiss keinen richtigeren Weg einschlagen können als den, der durch die Gleichberech-•tigung von sämmtlichen Confessionen von selbst gegeben ist. Sie muss es ein- für allemal aufgeben, sich in das religiöse Gewissen ihrer Völker einzumengen, und diese durch Polizeimassregeln, Verordnungen und Staatsverträge leiten zu wollen. s) Eine religiöse kirchliche Propaganda ist in der ganzen österreichischen Monarchie nicht zu befürchten. Der grösste Theil des Bürgerstandes und der gebildeten Stände ist kirchlich indifferent. Diejenigen Oesterreicher, welche religiösen.Anschauungen zugänglich sind, verharren gerne in der anerzogenen oder angeborenen Religion. Am gefährlichsten bleibt in dieser Beziehung immer der russische Einfluss ; denn die frommen Russen sind, mit sehr geringer Ausnahme, religiös unduldsam gegen andere christliche Confessionen. Man braucht nur die „Geschichte der Kirche Russlands von dem Erzbischofe von Tscherni-gow, Philaret” (deutsche Ausgabe, Frankfurt 1872) zu lesen, um sich zu überzeugen, dass der Geist der Unduldsamkeit des hohen russischen Clerus zu den theologischen Traditionen der griechisch-russischen Kirche gehört.