DER WALD Die in Europa heimischen Bäume erreichen ein seltsames Alter von Jahrhunderten, einzelne Exemplare in den Urwaldungen auch Jahrtausende. Es ergibt sich das höchst interessante Problem, wie dieses Kolossalalter pflanzlicher Lebewesen mit der stets, um so viel kürzer bemessenen Lebensdauer der Tiergattungen, in Übereinstimmung zu bringen sei. Dies ist eines der so vielen Rätseln, deren Erforschung die Menschheit anstrebt. Man kam bisher zur Annahme, dass nicht nur jene Zellen des Baumes leben, die die Nahrungsaufnahme besorgen und das Wachstum fördern, ohne der Lösung des Rätsels näher gekommen zu sein. Der, in jungen Jahren heimgegangene, feinfühlige Schriftsteller Josip Kozarac, Forstmann von Beruf, hat in seinen Schriften manche Hymne an den slavonischen Wald eingeflochten. Einiges davon folgt in freier Übersetzung. Sooft ich — schreibt Kozarac — durch den Wald streife, befällt mein Innerstes ein geheimnisvoller, magischer Zauber; ich fühle mich jenen heeren Wesen näher, dessen Hochheit zu ergründen, sich der menschliche Geist vergebens sehnt. Wann immer ich durch den slavonischen Wald ziehe, umfassen mich tausenderlei Gedanken und Gefühle, was während zwei Jahrhunderten, in dieser Dämmerung, wohl geschehen sein mag. Es gibt eigentlich keine menschliche Leidenschaft, die nicht im Halbdunkel des Waldes ihr Mütchen gekühlt hätte. Von dem Zwielicht begünstigt, wartete der Geliebte auf sein Herzliebchen, lauerte der Mörder auf sein Opfer. In seinem Gestrüpp wurden geheime Verabredungen getroffen; in den vielen Baumhöhlen hielt der Missetäter das gestohlene Gut oder Gewehr verborgen. Jeder dieser Eichenstammriesen war Zeuge irgendeines Geheimnisses. In dem Berichte der jugosl. Forstvereinigung vom J. 1931/2 ist ein feierliches Lied an den Wald veröffentlicht, welches berechtigtes Aufsehen erregte. Es lautet: Ich »der Wald« bin in den kalten Winternächten Deines Heimes Wärme; das Brett Deines Tisches und Bettes; aus meinem Holze zimmerst Du Deine Schiffe. Ich bin der Griff Deiner Werkzeuge; die Tür Deiner Behausung; Deine Wiege • und Dein Sarg. Ich bin das Sinnbild der GÜTE und SCHÖNHEIT! 174