ABDUL-ASIS UND IGNATIEFF Es ist durchaus wahr, daß Ignatieff zu jeder Stunde zum Sultan gelangen konnte. Wahr ist es auch, daß die ungeheure Popularität, die Abdul-Asis bei seinen Untertanen mohammedanischen Glaubens genoß, durch den Schein der Russenfreundlichkeit zuletzt gefährlich getrübt ward. Aber nichts desto weniger hat das Ende des Herrschers die Gläubigen schließlich aufgeklärt; und noch heute sagen die Muselmanen Albaniens, Mazedoniens und Anatoliens, daß Abdul-Asis’ Zeit ihnen fast als verlorenes Paradies erscheint. „Unter ihm herrschte Freiheit für alle, wie das Gesetz des Glaubens es verlangt,“ sagt ein noch ungedrucktes Geschichtswerk eines der bekanntesten albanesischen Führer. Und sonderbar ist es, daß schon damals die Muselmanen Midhat und die Jungtürken des Verrats anklagten und ihnen vorwarfen: „anstatt dem Volke die Freiheit zu geben, nähme ihre Verfassung bloß dem Sultan die Freiheit“. Später werden wir sehen, daß dieses Wort des albanesischen Historikers geradezu prophetisch war. Es ist sicher, daß Abdul-Asis dem Grafen Ignatieff ganz ungeniert alle Staatspapiere zeigte, die auf seinem Schreibtische lagen. Nur wußte Ignatieff nicht, daß der Sultan vor jedem Besuche erfahren hatte, in welcher Angelegenheit er ihn aufsuchte. Wenn nämlich Ignatieff im Palast eine ganze Kohorte von Spionen unterhielt, so hate Abdul-Asis an der russischen Botschaft nur einen Kundschafter: aber das war ein Botschaftssekretär. Unzweifelhaft ergibt sich dies aus der Tatsache, daß der Sultan Halbmond 2 17