462 RAGUSA. der grösste Dichter Ragusas, brachte eine entschiedene Wendung in der Entwicklung der ragusäischen Poesie, sowohl was Inhalt als auch was Form anbelangt. Ein Schüler des in Ragusa neugegründeten Jesuiten-Collegiums, war er äusserst fromm, wesswegen er mit der ziemlich ausgelassenen Dichtungsart des XVI. Jahrhunderts entschieden brach: moralische Belehrung war ihm in allem der Hauptzweck. Ausserdem liess er den schwerfälligen doppeltgereimten zwölfsilbigen Vers fallen, und wendete dafür fast ausschliesslich den leichteren einfach gereimten Achtsilber an ; auch in Bezug auf den Sprachausdruck war er äusserst sorgfältig, so dass er für die ganze folgende ,Zeit in dieser Beziehung als Vorbild diente. Gundulic ist weit über die Grenzen seiner engsten und engeren Heimat durch sein, leider unvollständig gebliebenes, Epos Osman bekannt geworden, in welchem er den Sieg des polnischen Kronprinzen Vladislav (des slavischen Christenthums) über den Sultan Osman II. (den türkischen Mohammedanismus) und die Ermordung Osmans durch die aufrührerischen Janitscharen (1622) besingt. In Anlage und Ausführung folgte Gundulic vielfach Tassos „befreitem Jerusalem“. Nicht zum Vortheil gereichte dem Werke der Einfluss des mit Worten und Figuren spielenden italienischen „Seicento“ und das entschieden der Lyrik hinneigende Gemüth des Dichters. Viel mehr Wahrheit und echtes Gefühl steckt daher in seinem schönen lyrischen Gedichte Suz.e sina razmetnoga (Die Thränen des verlorenen Sohnes). Am schwächsten sind seine Dramen, zum Theil Überarbeitungen italienischer Stücke, in welchen er — ganz im Gegensätze zu M. Drzic und N. Naljeskovic — romantische Episoden bearbeitete; noch am besten ist das Pastoraldrama „Dubravka“, ein enthusiastischer Lobgesang auf die Freiheit Ragusas. Leider folgte ihm in der Auswahl und Bearbeitung der Stoffe Däono Pal-motic (Junius de Palmotta), der fruchtbarste ragusäische Dramatiker, oder vielmehr dramatische Improvisator, da von Zeitgenossen berichtet wird, er habe seine Stücke ganz einfach dictiert. Episoden aus Virgil, Ovid, Ariosto u. s. w. sind seine Motive, die er in schönen aber hohlen Versen dem ragusäischen Publikum vorführt. Viel mehr Sorgfalt widmete Palmotic dem religiösen Epos Kristijade (Christias), einer Bearbeitung und Erweiterung des vom Italiener Vida verfassten lateinischen Epos desselben Namens. Ein lustiger Realist war DzivoBunic Vucieevic (Johann de Bona f 1658), der in wohlklingenden Rhythmen, frei von jeder Affectation und Wortkünstelei „Wein, Weib und Gesang“ als Kenner lobt und preist. Ragusas schönste Zeit war schon vorüber! Der Levantehandel — die reiche Quelle seines Reichthumes — gieng allmählich immer mehr in fremde Hände über, und nach dem furchtbaren Erdbeben vom Jahre 1667, das einen grossen Theil des energischen und wohlhabenden ragusäischen Adels und Bürgerstandes vernichtete oder ökonomisch zugrunde richtete, brachen die jede weitere Thätigkeit lahmlegenden inneren Zwistigkeiten zwischen den alten und den nach dem grossen Erdbeben neugeadelten Familien aus. Es wurde daher auch das Interesse für die Literatur geringer, wozu nicht wenig auch der Niedergang der italienischen Literatur beitrug.