AUF DEN ORJEN. 545 Von Crkvice führt der ärarische Weg in massiger Steigung westlich, zum Theil frei und aussichtsreich am Gehänge, zum Theil durch prächtigen Wald, mit Karstklippenpartien, wo in circa 1500 Meter Seehöhe die ersten Schneegrüben auftreten. In diesen Dolinen hält sich der, am freien Gehänge der oberen Orjenregion im Juli verschwindende Schnee den ganzen Sommer über. Man wird von Crkvice 11/2 bis 2 Stunden unterwegs sein, wobei sich besonders die Rückschau gegen Osten beständig erweitert hat, da erreicht man den Orjensattel (1594 Meter) und geniesst nun plötzlich eine überraschende Ausschau gegen Westen. Tief unten liegt da das der Hercegovina angehörende Karstplateau von Bjelostina mit der Häusergruppe von Vrbanje, über welcher man die Snijeznica von Canali und weiter links das grüne Canali-Thal selbst erblickt, diese ganze Landschaft vom Meer besäumt, da das Auge gegen Westen schon keine Schranke mehr findet. Vom Sattel wendet sich unsere Eoute pfadlos gegen Nordwesten einem den Orjen noch verdeckenden Vorgipfel zu. Dabei sinken die wenigen Höhen im Süden, welche West- und Ostdiorama noch trennten, rasch hinab, die mannigfaltig gestaltete Senke der Bocche entfaltet sich fast bis zum Wasserspiegel und der Horizont des Meeres weitet sich unermesslich auch gegen Süden. Auch tritt im Osten immer prächtiger die seit langem sichtbare Lovcengruppe hervor, als ein mehrgipfeliges graues Felsgebirgsmassiv mit dunklen Gipfelwaldpartien, das ebenso einen Glanzpunkt im Orjen-Panorama bildet, wie der Orjen in der Eundschau vom Lovcen. Bis hoch hinauf reichen am Orjen die hier noch ziemlich reichen Waldbestände, 1 der von einem Triangulierungszeichen gekrönte Gipfel aber ragt über den Wald empor und bietet nicht nur einen instructiven Überblick der abstreichenden Ketten, deren Knotenpunkt er ist, sondern auch eine grossartige Fernschau. Zwar fehlt der auf dem Lovcen erschlossene Blick auf die Wasserspiegel der Bocche, dafür aber liegen im Nordnordwesten herrlich die ragusäischen Gewässer bis zu den Inseln ausgebreitet (Curzola 135 Kilometer), im Nordwesten sieht man über das Polje von Trebinje (22’/2 Kilometer) bis zur 95 Kilometer entfernten Veles Planina (1970 Meter), die sich östlich von Mostar erhebt, und im Nordnordosten treten die Hochgebirge an der hercegovinisch-montenegrinischen Grenze (Vlasulje 2339 Meter, 75 Kilometer), sowie der gleichfalls 75 Kilometer entfernte „Höchste von Montenegro“ (Durmitor 2528 Meter) weit deutlicher als auf dem Lovcen in Erscheinung. An den Durmitor schliessen gegen Nordosten die hohen Berge der Br da oder Ost-Montenegros (Stozac 2124 Meter, Maganik 2112 Meter), im Ostnordosten reicht das Panorama bis zum zweithöchsten Berge der Cmagora (Kom 2460 Meter, 95 Kilometer), im Ostsüdosten endlich fallen 1 Nach freundlicher Mittheilung des k. k. Forst-Inspections-Commissärs J. Bilisco in Cattaro, besteht der Wald am Orjen hauptsächlich aus Schwarzkiefern (Pinus austriaca), Edeltannen (Abies pectinata) und Buchen (Fagus sylvatica). In der Gipfelregion tritt auch die in Dalmatien sonst nur auf dem Velebit und auf der Dinara vorkommende Zwergkiefer (Pinus mughus) auf. Führer durch Dalmatien. 35