392 DAS NARENTA GEBIET. AUSFLÜGE VON METKOVIC. Lieblingsinstruments der Südslaven, welches aus trockenem Ahorn (javor, deshalb javorove gusle) hergestellt wird. Bei der Fabrikation sind die Dimensionen und die Qualität des Fischlederdeckels für den Ton ungemein wichtig. Bekanntlich hat die Gusla in der Begel nur eine Saite, welche annähernd die Klangfarbe einer tiefen Yiolasaite ergeben soll. Gewöhnlich ist die Saite in C (seltener in G) gestimmt, und ihr Umfang der einer Octave mit allen Halbtönen (also eine chromatische Leiter). Hat die Gusla zwei Saiten, so muss die von ihr begleitete Singstimme den dritten Ton halten — bald Terz, bald Quinte — was nur von wenigen Guslaren getroffen wird und noch am ehesten von den gebildeten Südslaven, welche dem Gusla-spiel oft nicht minder als das Volk selbst zugethan sind. Unzertrennlich sind bei diesem Spiel Text und Musik. Ausgenommen die Schlusssilben, hat jede Silbe nur einen Ton und es kommt nicht vor, dass eine Silbe, wie etwa im Deutschen die Silben des "Wortes Lie-be in allen möglichen Tönen gesungen wird. Auch ist zu beachten, dass die Melodien gewöhnlich — wie bei der altgriechischen Musik — mit der Dominante, also mit dem fünften Ton einer Octave schliessen, dass die übermässige Secunde hervortritt und dass das Recitativ die grösste Rolle spielt, während Andante, Larghetto u. s. w. bei der Gusla unmöglich sind. Wichtig sind endlich beim Guslaspiel die Intervalle, hinsichtlich deren Bedeutung für die Musik hier aber auf Helmholtz („Die Lehre der Tonempfindungen“, pag. 501) verwiesen werden muss. Dass bei den Südslaven Gebildete wie Ungebildete leidenschaftlich dem Guslaspiel zugethan sind, erklärt sich übrigens nicht aus der Natur des Instruments allein, sondern noch mehr daraus, dass die dazu gesungenen Lieder eben die Nationallieder der Südslaven sind, in welchen ein gut Theil der 1000jährigen Geschichte des Volkes fortlebt. Merkwürdigerweise knüpfen diese Lieder nicht sowohl an die Glanzperiode des serbischen Reiches unter DuSan, als an die Zeit des Niederganges im Kampfe gegen die Türken an. Eine Lieblingsgestalt der Volksmuse ist ausser Lazar (siehe Seite 383) besonders der Königssohn Marko (Marko Kraljevic), obschon dieser in den letzten Jahren seines abenteuerreichen Lebens in Diensten des Sultans kämpfte. Speciell in den von diesem Königssohn handelnden Liedern tritt die Rauheit der mittelalterlichen Sitten und die Freude am physischen Kampf mit ungebändigter Leidenschaft hervor; sie bilden eine wahre südslavische Ilias, und zugleich das Hohe Lied der Trinklust, ja — was das Merkwürdigste ist — in diesen Liedern tritt trotz der Schwermuth, die man sonst den Südslaven nachsagt, ein nicht unbeträchtliches Gefallen an Humor zutage. Man kann nicht glauben, dass selbst die Bauern, denen die Lieder vorgetragen werden, es einfach für bare Münze nehmen, dass Marko Kraljevic allein mit 300 Feinden kämpfte, die er nur so „hinlegte“ oder in die Flucht jagte. Vielmehr ist da ein gewisses Gefallen an Miinchhauseniaden vorhanden, eine humorvolle Unterstimmung als Begleiterin des Behagens, mit welchem das Volk der Erzählung von den Thaten seiner Helden lauscht.