258 DIE MORLAKEN. Im 15. Jahre pflegt der junge Bauerssohn den Hirtenstab einem Jüngeren zu übergeben und die Hacke zu ergreifen, um seinem Vater, dessen rechte Hand er nun geworden, bei der Feldwirtschaft zu helfen. Jetzt denkt man auch bald daran, ihn zu verheiraten, und wenn er nicht selbst beim Kirchgang oder am Markte eine Liebste gefunden, acceptiert er ohne viel Umstände diejenige, welche ihm die Eltern bestimmen, gewöhnlich die Tochter eines befreundeten Hauses, deren Eigenschaften — einschliesslich der Mitgift — vorher sorgfältig erwogen wurden, wie dies ja andernorts ebenfalls der Brauch ist. Sehr umständlich waren in früherer Zeit, als die Morlaken noch weniger Schulden hatten, die Hochzeitsgebräuche. Hochzeiten sind fast überall beim Landvolke die Hauptgelegenheiten des Lebens, um es, wie schon der Name sagt, hoch hergehen zu lassen und nicht nur den Tafelfreuden ausgiebig zu huldigen, sondern auch allerlei ernsten und heiteren Ceremonien Raum zu geben. Charakteristisch für das "Wesen der Morlaken war aber vielleicht die Menge der Ämter, deren man bei grossen Hochzeiten bedurfte. Da sassen nämlich die Hochzeitsgäste (svatovi) gewissermassen unter einem Präsidium (des stari svat), der Beistand (kum) hatte seinen Gehilfen (prikumak), neben welchem noch der Brautführer (mladi djever oder ruöni djever) fungierte, den Hochzeitszug führte ein Vojvoda oder Barjaktar (Fahnenträger) und die lustige Person stellte einer der Hochzeitsbitter (kucni djever, pozivaö), die, wie auch anderwärts, schon vor dem grossen Tage, oft schon behufs Einleitung der Heirat in Action getreten waren. Die Gebräuche bei diesen Hochzeiten bestanden zum Theil in Formen, unter welchen man der Braut Geschenke machte und von ihr kleine Gegengeschenke empfleng, oder die Neuvermählte in ihr neues Heim einführte oder sie nach Möglichkeit in Verlegenheit brachte. So musste sie z. B., was bei der Stärke der Bauernmädchen und Kleinheit der Häuser allerdings nicht schwer war, einen Stein über das Dach hinüberwerfen, ehe sie in das Haus eintrat, um ihre Wirtschaft zu besichtigen. Inzwischen traten die übrigen Gäste zum Kolo an, der nebst einem ausgiebigen Gelage bis heute Haupt-hochzeitsbrauch geblieben ist, während die mannigfaltigen Nebenbräuche, die früher im Schwange waren, ebenso wie bei anderen Völkern allmählich in Vergessenheit gerathen. Ein weiteres Zeichen für die Abnahme specifischer alter Bräuche (an deren Stelle jetzt überall uniforme neue, durch das moderne Leben gebrachte Gewohnheiten treten), ist das Aufhören der, einst sogar durch kirchliche Weihe besiegelten Wahlbruderschaft zweier Freunde (pobratimi), die jetzt allerdings nicht mehr die Zwecke haben kann, die sie einst in den Zeiten der Türkenkämpfe hatte. Die Sitte wird heute kaum mehr sporadisch geübt, während sich früher selbst Mädchen zu solch einem Bunde zusammen-thaten und dann Posestrime (Wahlschwestern) nannten.