GESCHICHTLICHES. 67 Deutschland durch ihre Wildheit berüchtigten Avaren eingriffen. Wie Constantin Porphyrogenitus erzählt, geschah dies hauptsächlich unter dem schwachen Kaiser Heraklius, in dessen Regierungszeit (610—640) auch die von den meisten Historikern auf das Jahr 639 n. Chr. angesetzte Zerstörung Salonas fallt. Eben damals giengen auch Epidaurus (Ragusavecchia) und Rizinium (Eisano) zugrunde; doch muss der Ansturm bald vorüber gegangen sein, da schon 641 Papst Johann IV., ein gebürtiger Dalmatiner, den Abt Johann nach Istrien und Dalmatien schickt, um Reliquien zu sammeln und durch Lösegeld Gefangene zu befreien. Einige allgemeine Bemerkungen zur Frage der Ursässigkeit oder Einwanderung der Croaten. Hinsichtlich der Slaven in Dalmatien, an deren ältesten historischen Namen Sklabenoi der byzantinischen Autoren noch heute die Bezeichnung Riva degli Schiavoni in Venedig erinnert, mag hier der seit frühester Zeit immer wieder aufgetauchten Ansicht Raum gegeben werden, dass es sich beim Auftreten der Avaren und Slaven in der Geschichte nicht um die Einwanderung ganz neuer Völker, sondern mehr um Vorstösse längst sesshafter aber unterdrückter Bevölkerungsschichten handelte, die — allerdings vielleicht infolge Verstärkung durch zuwandernde verwandte Stämme — in einen nationalen Aufschwung geriethen. Würden von der dalmatinischen Geschichte der letzten Decennien in 1000 Jahren nur einzelne Fragmente — etwa einige Strassentafeln, Zeitungs-nummern u. dgl. — künden, so könnte der künftige Historiker, der nach diesen Fragmenten urtheilen müsste, leicht auf die Vermuthung gerathen, dass sich zwischen den Fünfziger- und Achtziger-Jahren des XIX. Jahrhunderts in Dalmatien eine mächtige slavische Einwanderung und eine Vernichtung der bis dahin sesshaften italienischen Elemente vollzogen habe. Und doch ist weder das Eine noch das Andere geschehen, sondern es haben bloss infolge Zunahme der allgemeinen Bildung und infolge Auflebens der nationalen Idee die die ungeheuere Majorität bildenden Slaven im Lande gewisse Prärogative an sich genommen, welche bis dahin aus der Vene-tianerzeit her die kleine italienische Minorität austibte. Es hat viel für sich, auch die Ereignisse entlegener Zeiten nach dem zu beurtheilen, was sich noch heute vor unseren Augen abspielt. Im Lichte dieser Anschauung Erscheint die Bevölkerung in fast jedem Lande Europas vor Allem als directe Nachkommenschaft der von Anbeginn, also von der prähistorischen Zeit an, daselbst sesshaften Bevölkerungsschichte. Spätere Einwanderungen, auch erobernde Scharen, wurden mehr weniger aufgesogen und obgleich sich dadurch im Laufe der Jahrhunderte in jedem Lande die Bevölkerung vielfach modelte, so giengen doch alle diese Wandlungen parallel, und wenn man ein genaues Bild der urzeitlichen Bevölkerungen Europas entwerfen könnte, so würden sich zwischen England und Frankreich, Frank- 5*