456 RAGUSA. und seinen Nachfolgern gut ab. 1 Auch beim Papst fanden sie stets Schutz und Fürsprache.2 Statistische Daten über die Bevölkerung der Stadt haben wir nicht; sie zählte an 800 Häuser. Das ganze Gebiet hatte an 50.000 Einwohner. Mit dem Wohlstand und der langen Friedenszeit begann auch literarisches Leben, mit eifriger Pflege der Dichtkunst, lateinisch und slavisch, seit dem Ende des XV. Jahrhunderts. 3 Langsam begann aber ein Verfall des Handels. Die Ursachen desselben sind dieselben wie in der Geschichte des italienischen Levantehandels: die Entdeckung des neuen Seeweges nach Indien und unbekannter überseeischer Länder und infolgedessen Übermacht der europäischen Staaten auf dem Atlantischen Ocean, Concurrenz der Industrie und Seefahrt der Franzosen, Holländer und Engländer auch in der näheren Levante und Verfall der Türkei. Ein grosses Unglück war das Erdbeben morgens am 6. April 1667; die hohen enggebauten Häuser, besonders auf dem verschütteten Seeboden, stürzten ein (die Stadttheile auf Felsboden behaupteten sich besser), die Kirchen nahmen grossen Schaden und in den Ruinen brach eine Feuersbrunst aus. Es sollen an 4000 Personen den Tod gefunden haben. Der Stadtadel, der noch um 1600 an 300 erwachsene Männer zählte, war so geschwächt, dass er sich durch Heranziehung einiger hervorragender Bürgerfamilien verstärken musste.4 In den Türkenkriegen 1683—1699 und 1714—1718 haben die Venetianer das Hinterland von Ragusa mit Trebinje occupiert, auf den Congressen zu Karlowitz und Passarowitz operierten aber die Ragusaner, protegiert von Österreich und der Pforte, so gewandt, dass der Türkei nicht nur das Gebiet bis zur ragusanischen Grenze belassen wurde, sondern auch dass sie überdies noch zwei Landstreifen am Meere (Kiek und Sutorina) behielt, damit Ragusa ja nicht mit venetianischem Gebiet in unmittelbare Berührung komme. Das war der letzte grosse Erfolg der ragusanischen Diplomaten. Während des russisch-türkischen Krieges 1768—1774 hatte Ragusa wegen Confiscation eines russischen Kaperschiffes in Genua auf Betreiben des ragusanischen Consuls einen Conflict mit den Russen, die auf die ragusanischen Schiffe Jagd machten und Ragusa zu einer Entschädigung zwangen. Handel und Literatur waren im XVIII. Jahrhundert im Verfall; die Flotte zählte zum 1 Über das Verhältnis zu Spanien: Prof. Giuseppe Gelcich, I conti di Tuhelj. Contributo alla storia della marina dalmata ne’ suoi rapporti colla Spagna, Ragusa 1890. 2 Die Buchstaben S. B. (Sanctus Blasius) auf der Flagge lasen die Italiener schon im XVII. Jahrhundert „sette bandiere“, die sieben Flaggen, und neckten damit die Ragusaner. 3 Näheres hierüber im Abschnitte Literatur und Wissenschaft, Seite 460, 4 Von den alten Adelsfamilien von Ragusa leben heute noch : Bona Bozdari, Cerva, Caboga, Ghetaldi, Giorgi, Gozze, Gradi, Pozza, Saraca, Zamagna. Die alten Geschlechter Bonda und Gondola sind Anfang des Jahrhunderts ausgestorben, deren Namen und Wappen werden aber von Mitgliedern der Familien Giorgi und Ghetaldi geführt. Von den nach dem Erdbeben in den Adel aufgenommenen Geschlechtern besteht nur mehr die Familie Natali.