DIE NATIONALEN HERRSCHER. 69 Die Vorherrschaft, welche die Küstengebiete vermöge ihrer hohen Cultur und ihres Reichthums, sowie vermöge ihres Rückhalts bei Rom hatten, musste natürlich schwinden, als Rom selbst sank und mit dem abnehmenden Verkehr und Reichthum das Land mehr auf sich selbst angewiesen war. Nun wurde die numerische Überzahl entscheidend und unter dem schwachen byzantinischen Regime kam die Binnenbevölkerung zu Einfluss, die eigentliche Herrschaft aber hieng von den Machtverhältnissen der croatischen und ungarischen Gewalthaber ab. Schon die avarische Invasion war das rohe Vorspiel des späteren Übergreifens der magyarischen Macht, die nachmals von der Venetianerherrschaft abgelöst wurde, ähnlich wie diese in neuester Zeit selbst wieder dem nationalen Aufschwünge der eingeborenen slavischen Bevölkerung weichen musste. Die nationalen Herrscher. Nach dem Avarensturm erscheint — wie viele Historiker sich aus-drücken — plötzlich eine neue slavische Bevölkerung in Dalmatien, oder — nach obiger Anschauung — die Herrschaft geht von dem römisch-byzantinischen Elemente auf die Croaten über. Nur in den Küstenstädten von Zara bis Cattaro und auf den Inseln dauert das byzantinische Dominium fort, sie bilden das Thema Dalmata, zu dessen Hauptstadt an Stelle des zerstörten Salona Zara gemacht wird; alles Binnenland nördlich der Narenta dagegen heisst Croatien und wird von croatischen Zupanen und Gross-Zupanen, später nationalen Königen regiert. Vielleicht bestand die ganze Wandlung darin, dass Angehörige des, in der römischen Zeit unterdrückten Volkes die Herrschaft an sich rissen, wodann man die croatischen Könige mit einigem Rechte als die Wiederhersteller der alten illyrischen Königsmacht betrachten würde. In den nachfolgenden Capiteln dieses Buches, welche den einzelnen Landschaften Dalmatiens gewidmet sind, wird überall auf die in vielfacher Hinsicht so interessante Zeit der croatischen Herrscher und auch auf die späteren Epochen ausführlich Beziehung genommen. Hier mögen daher nur die zum Verständnis jener Detailgeschichten nöthigen allgemeinen Grundzüge Raum finden. * Als das Erankenreich unter Karl dem Grossen seine grösste Ausdehnung erreichte, boten nicht nur die Venetianer, sondern auch die Ktisten-Dalmatiner dem neuen weströmischen Reiche ihre Unterwerfung an (805), umsomehr als Karl seine Herrschaft auch über die dalmatinischen Croaten ausgebreitet hatte. Auf Venedig und Küsten-Dalmatien verzichtete jedoch Karl schon 812 zugunsten des byzantinischen Kaisers Michael, während die croatischen Herzoge Borna und Ladislaus und dessen zweiter Nachfolger Trpimir auch weiter die deutsche Oberhoheit anerkannten, wie unter anderem daraus hervorgeht, dass die älteste croatische Urkunde, welche uns erhalten ist — ausgestellt von Trpimir 852 — nach der Regierung Kaiser Lothars datiert.